Vor zwei Jahren war ich für einige Tage in Bangkok. Meine Hauptbeschäftigung bestand darin, mit den Tuk-Tuk-Fahrern zu verhandeln, sie auf Bulgarisch zu beschimpfen, wenn sie mich auf Thai beschimpften, und jeden Tempel zu besuchen, über den ich etwas Interessantes gelesen hatte.
Aber wer schon Hangover 2 gesehen hat, weiß, dass Bangkok nicht nur Tempel, sondern auch ein Nachtleben hat. Die Worte aus dem Film „Bangkok has him now…“ klingen einem noch verhängnisvoll im Ohr. Aus reiner Neugier beschließe ich, dem auf den Grund zu gehen.
Also Achtung, Leute, es wird geringfügig schlüpfrig. Nur weiter lesen, wenn Ihr mindestens 16 oder 18 seid!
Eines Abends schwingen wir uns in ein Tuk-Tuk. Die Destination, von der wir im Film gehört haben, lautet Soi Cowboy (Cowboy Street). Das ist eine nicht sehr lange Straße in Bangkok, die tagsüber fast leer und unauffällig wirkt. Je mehr der Tag zur Neige geht, umso schillernder wird sie aber.
Das Prinzip hier ist einfach: die Mädchen stehen vor sog. Gogo-Bars und versuchen Kunden anzulocken. Man bezahlt keinen Eintritt, muss aber darin unbedingt etwas trinken. Ein Bier kostet z. B. 3-4€. In einer Gogo-Bar tanzen die Mädchen meistens leicht bekleidet auf erhöhten Bühnen und/oder an Stangen. Wenn ein Mädchen einem Kunden gefällt, winkt er sie zu sich an seinen Tisch und spendiert ihr einen Drink. Das ist auch die Hauptaufgabe der Mädels – Drinks spendiert zu bekommen. Sie bezirzen die Herren, letztere fühlen sich wohl und lockern die Geldbörse. Sollte der Kunde mehr wollen, kann er das Mädchen fragen, ob sie ihn in sein Hotel begleiten möchte. Sollte sie einverstanden sein, muss der Kunde der Bar eine Art Ablösegebühr bezahlen, damit das Mädel mitgehen kann.
Da man keinen Eintritt bezahlt, wird man dazu verleitet, eine kleine Bar-Hopping-Tour zu machen. Dabei sollte man aufpassen, es mit dem Bier oder den Getränken nicht zu übertreiben. Selbst wenn man dabei in jeder Bar nur ein Bier trinkt, werden die Lichter der Nacht irgendwann anfangen, greller zu leuchten. Bevor sie ganz ausgehen.
Auch wenn ich es persönlich mit dem Bier nicht übertrieben hatte, kann ich gar nicht mehr genau sagen, wieso wir irgendwann in einem anderen Tuk-Tuk saßen und plötzlich woanders hinfuhren (ist ja auch eine Weile her). Es hieß, dort seien die Bars „interessanter“… Und das waren sie in der Tat.
Die neue Location gleicht einem viereckigen Gebäude mit einem großen Innenhof. Es gibt drei oder vier Stockwerke und auf jeder Ebene reihen sich die Bars aneinander an.
Ganz zu Beginn landen wir in einer Bar mit groß gewachsenen Frauen, die viel zu perfekt aussehen. Perfekt geschminkt, tolle Figur, lange Mähnen, Maniküre… muskulöse Beine, Six-Packs. Ich frage mich, wieso diese Damen nun plötzlich so viel größer und kräftiger wirken, als die anderen Mädchen, die wir gesehen haben. Schnell leuchtet mir ein: es sind waschechte Ladyboys… Interessant… Meine Begleitung scheint sich hier nicht wohl zu fühlen (die Begegnung mit einem Ladyboy endet im Film in der Tat etwas befremdlich für einen der männlichen Charaktere… ). Also ziehen wir weiter, noch bevor wir wieder ein Getränk bestellen müssen.
Bei der nächsten Station sind wir in einer größeren Bar. Hier haben die Mädchen alle den gleichen Hauch von nichts an. Abgesehen von einer Nummer am mikroskopischen Höschen tragen sie nicht viel. Die Auswahl kommt also mit Hilfe der Nummer zustande… Hier kann ich das erste Mal beobachten, wie Kunden die Bar mit der Dame ihrer Wahl verlassen. Dabei zuzusehen, wie leicht das geht, könnte eine(n) schon verunsichern und einen an der Exklusivität der Beziehung zweier Menschen zweifeln lassen: die Kunden müssten nur ein Bier trinken und die Hand ausstrecken. Und sie würden dafür vielleicht maximal 50€ bezahlen. Aber ich bin nicht hier, um zu urteilen. Es gibt die Nachfrage und solange das Angebot freiwillig und mit, sagen wir mal, rechten Dingen vonstattengeht, soll jeder selber für sich entscheiden.
Unsere letzte Station für diesen Abend soll auch die lustigste werden. Hier gibt es einen riesigen Jacuzzi, gefüllt mit Badeschaum. In dem plantschen halbnackte Frauen. Und wenige Meter entfernt tanzt gerade eine kleine zierliche Thailänderin bei sinnlicher Musik auf einer Bühne. Ein zarter Regenschauer ergießt sich über die Tanzfläche und man kann zusehen, wie der dünne Stoff auf der Haut der Tänzerin nasser und durchsichtiger wird. Ich muss nicht erwähnen, dass sie drunter keine selbstgestrickte Unterwäsche trägt. Der Gesichtsausdruck einiger Gäste verrät, dass sie in diesem Moment mit einem Gespräch überfordert wären.
Meine Begleitung ist an dem Abend mein Finanztropf, da mein Outfit keine Taschen hat. Somit hatte ich keine Möglichkeit, Geld oder Sonstiges mitzunehmen. Die Mädels kapieren schnell, dass jemand anders für meine Drinks bezahlt und… fangen an, mich zu bezirzen… Sehr bald habe ich eine neue beste Freundin namens Joy. Wie soll sie denn hier auch anders heißen?! Solange ich sie als Begleitung habe, ist mir wohl erlaubt, die Tanzfläche auch ein wenig für mich zu beanspruchen. Das ist normalerweise verboten, da die Mädels ja mit ihrem Tanzen Geld verdienen und Kunden auf sich aufmerksam machen wollen. Man kann also nicht zulassen, dass tanzwütige Touristinnen ihnen das Geschäft kaputtmachen. Ich glaube, dass ich am Rand mittanzen darf, liegt auch mitunter daran, dass meine Begleitung dem Aufpasser einige Drinks spendiert hatte und dieser uns ebenfalls wohlgesonnen ist… Die zwei sitzen fast Arm in Arm am Tisch, wie zwei alte Kumpels beim Grillen. Da die Mädels meine Begleitung eher als zahlende Spaßbremse empfinden, kann ich umso entspannter bei guter Musik meine Tanzkünste unter Beweis stellen. Auch die zwei anderen „mitgebrachten“ Damen trauen sich dann auf die Tanzfläche. Unser Tanzeinsatz wird von einem Barbesucher gewürdigt und er spendiert allen Damen eine Runde Shots. Ich schaffe es nebenher, mich mit Joy zu unterhalten. Und so erzählt sie mir, dass sie 33 sei, verheiratet, und eine kleine Tochter hätte. Ich bin etwas erstaunt: die Frau ist sogar kleiner als ich und so zierlich, dass ich sie für Anfang 20 gehalten hatte.
Die Bühne lichtet sich langsam und kurz bevor wir beschließen zu gehen, reißt meine Sandalette. Plötzlich stehe ich barfuß da. Der Schuh ist zu nichts mehr zu gebrauchen. Hm… wie soll ich nun weiterlaufen, auf die Straße gehen und einen Tuk-Tuk anhalten?
In meiner misslichen Lage bekomme ich unerwartete Unterstützung: Joy verschwindet hinter den Kulissen und eine Minute später kommt sie mit pinkfarbenen Flip Flops in der Hand zurück. Sie besteht darauf, sie mir zu schenken, damit ich nicht barfuß nach Hause laufen muss. Sie sind mir zwei Nummern zu klein und meine Ferse schleift hinten auf dem Boden, aber ich bin begeistert von meinen neuen Schuhen: ausgerechnet in einer „zwielichtigen“ Bar genieße ich durch eine nette Geste doch das Gefühl einer gewissen Exklusivität ;D!